Armand Marchant bald in den Startlöchern
Die roten und blauen Tore fliegen nur so zur Seite, als Belgiens bester Skirennfahrer durch den Riesenslalom-Parcours der Journalisten- Weltmeisterschaft in Frankreich rast. Dass er endlich wieder trainieren kann, den Schnee unter den Brettern spürt und keine Schmerzen hat, ist für den aus Thimister stammenden Armand Marchant wie ein großes Geschenk.
Von Ulrich BRÜNGER – GrenzEcho – Donnerstag, 9. Mai 2019
Zwei Jahre nach seiner schweren Knieverletzung arbeitet Marchant an seiner Rückkehr auf die Piste.
Vor mehr als zwei Jahren, am 7. Januar 2017, war er beim Weltcup-Riesenslalom im schweizerischen Adelboden schwer gestürzt und hatte sich das Knie buchstäblich zerlegt. Danach hing seine Sportlerkarriere lange am seidenen Faden.
Die Kniescheibe war zertrümmert, Innen- und Außenmeniskus kaputt, die Bänder lädiert. Insgesamt sieben perationen musste Marchant über sich ergehen lassen. Arztbesuche, Physiotherapie, Reha- und Aufbauphasen, Kraftund Ausdauertraining – und zwischendurch immer wie Rückschläge. „Es war eine schwierige Zeit“, sagt Marchant dem GrenzEcho rückblickend. „Aber ich hatte immer ein Ziel vor Augen: gesund zu werden und wieder Rennen zu fahren!“
Nun sieht er nach endlosen Schindereien wieder Land, freut sich über noch so kleine Fortschritte und schmiedet sogar Comeback-Pläne. Ende November dieses Jahres will Marchant in den Ski-Zirkus zurückkehren.
„Ich hoffe, dass ich in Levi wieder mein erstes Weltcup- Rennen im Slalom bestreiten kann. Das ist mein großes Ziel“, erklärt der 21-Jährige mit Blick auf die Rennen in Finnland. Schon einen Monat zuvor findet die Weltcup-Saisoneröffnung mit dem Riesenslalom auf dem Ötztaler Gletscher im Oktober statt. Ganz ausschließen mag Marchant seinen Start in Sölden nicht, er sei aber eher unwahrscheinlich: „Wir werden sehen. Meine ersten Rennen will ich im Sommer in Neuseeland fahren. Dann werden wir schauen, welche Disziplin für mich am besten passt und wo ich mich am wohlsten fühle. Vielleicht klappt es ja doch schon mit dem Riesenslalom in Sölden. Aber derzeit fühle ich mich im Slalom wohler.“
Zuletzt wagte sich das große Ski-Talent im Training an Super-G und Abfahrt heran. „Generell will ich auf jeden Fall die Technikrennen fahren. Aber das Speedtraining hilft mir, mich auch im Slalom und Riesenslalom zu verbessern. Außerdem machen mir Abfahrt und Super-G sehr viel Spaß.“ In den vergangenen Wochen konnte Marchant seine Trainingsumfänge nochmals steigern. Das gelang auch dank der Hilfe eines technischen Geräts, welches die Belastungen für die Gelenke erheblich reduziert den sogenannten „Ski-Mojo“.
Erfunden und entwickelt wurde er vor mehr als zehn Jahren vom englischen Ingenieur Owen Eastwood. Er konzipierte das Gerät speziell für das Ski- und Snowboardfahren. Mittels seitlich angebrachter Stoßdämpfer (Stahlfedern), die rund ein Drittel des eigenen Körpergewichts tragen, entlastet das Ski-Mojo die vordere Oberschenkelmuskulatur und reduziert den Druck auf die Knie. Der Fahrer gewinnt dadurch etwa 33 Prozent mehr Kraft und Ausdauer bei unbeeinträchtigtem Kantendruck – so verspricht es der Hersteller.
Vor gut einem Monat traf Marchant seinen im französischen Wintersportort La Clusaz lebenden Landsmann Jean-Marc Glaude, der das Gerät nach einer zunächst gescheiterten Markteinführung im Winter 2007/2008 seit fünf Jahren mit wachsendem Erfolg vertreibt. „Jean-Marc hat mich gefragt, ob ich es mal testen wolle. Ich war vorher nicht zu 100 Prozent überzeugt von dem Produkt. Ich dachte, es ist etwas für faule Skifahrer oder alte Leute“, erklärt er schmunzelnd.
„Doch als ich es ausprobiert habe, war mein erster Eindruck, dass ich die ganze Zeit Druck auf dem Ski und der Kante spüre. Ich fühle mich leichter und kann damit länger fahren, ohne zu ermüden. Es ist absolut beeindruckend.“
Auch Frankreichs Ski-Idole Franck Piccard, Olympiasieger im Super-G 1998 in Calgary, und Luc Alphand, Gesamt-Weltcupsieger 1996/1997, sind begeistert vom Ski-Mojo. „Ich hatte von Beginn an ein großartiges Gefühl“, sagt Alphand. Der Ski-Mojo kann über und unter der Skihose getragen werden, so dass er unsichtbar ist.
„Die Muskeln und Knie werden entlastet. Ich war neugierig, wie es sich damit fährt. Und ich muss zugeben, dass das Resultat mit der richtigen Abstimmung bei kurzen, mittleren und langen Schwüngen außergewöhnlich ist“, lobt Alphand.
Könner seien nach einer Verletzung schneller wieder einsatzbereit und fühlten sich sicherer, so der 53-Jährige. „Aber es hilft auch schlechter Trainierten sowie Personen mit schwacher Muskulatur oder schmerzenden Gelenken.“
Marchant vergleicht den „Ski-Mojo-Effekt“ mit dem EBike, das den Radler beim Bergauffahren unterstützt. Die Anwendungsmöglichkeiten und die Bandbreite seien riesig, Skianfänger könnten genauso profitieren wie Weltcup- Fahrer.
„Für mein Knie ist es unglaublich gut. Vor meiner schweren Verletzung konnte ich zehn, elf Trainingsläufe hintereinander ohne Probleme machen“, sagt Marchant. Nach zwei Jahren Zwangspause geht es für den 21-Jährigen derzeit vor allem darum, das richtige Skigefühl wieder zu erlangen. Dazu braucht er möglichst viele Stunden auf den Brettern. „Mit dem Ski-Mojo kann ich wieder viele Läufe machen. Ohne ihn könnte nicht solche Umfänge trainieren.“
Als Vorläufer beim von Belgischen Journalisten-Skiclub organisierten 66. Internationalen SCIJ-Meeting in Praz sur Arly demonstrierte Marchant, der als erster belgischer Skirennläufer überhaupt Weltcup-Punkte ergatterte, seine Fortschritte. Den für ihn kurzen und leichten Kurs absolvierte er neun Sekunden schneller als der beste der rund 120 Journalistinnen und Journalisten aus 30 Nationen – von Kasachstan bis Kanada.
Im Dezember 2016 hatte der aus Thimister stammende Marchant drei Tage vor seinem 19. Geburtstag für eine Sensation gesorgt. Zwei Jahre nach seinem Weltcup-Debüt in Alta Badia erreichte er mit der hohen Startnummer 65 beim Slalom in Val-d’Isère den zweiten Durchgang und belegte am Ende Platz 18. An diese Leistung möchte er im Weltcup irgendwann wieder anknüpfen und das nicht nur als Vorläufer.